Eine Ära geht zu Ende

Historischer Hintergrund
Die große Rohlfing-Orgel von 1904 musste im ersten Weltkrieg ihre Prospektpfeifen hergeben, die zwischenzeitlich mit billigem Material ersetzt wurden. 1945 wurde Katharinen bei einem Bombenangriff zerstört und mit der Kirche auch die Orgel. Das heutige Instrument wurde im April 1962 eingeweiht. Die Originalkonzeption sowie die Disposition des Instrumentes mit dem Baujahr 1961 des damals renommierten Göttinger Orgelbaumeisters Paul Ott folgen den klanglichen und orgelbautechnischen Ideen der damaligen Zeit. Die Begeisterung für dieses Instrument in seiner Vielseitigkeit und Wertigkeit, die man der Festschrift zur Orgelweihe am 29. April 1962 entnehmen kann, hat sich im Laufe der Jahre gewandelt und wird den heutigen Erwartungen und Standarts nicht mehr gerecht.

Die Register
Aus heutiger Sicht lässt z.B. die Konzeption der vier horizontalen Zungenregister Fragen offen: Das Pedal ist mit Posaune 16‘ und Trompete 8‘ besetzt, das Hauptwerk mit Trompete 16‘ und Trompete 8‘. Die Klangfarbe der Trompetenregister (genau wie die der strahlenden Mixturen) ist ein typisches Charakteristikum des Orgelklanges, und jede größere Orgel hat mindestens ein solches Register, das wegen optimaler Klangverschmelzung zusammen mit den übrigen Registern im Inneren des Orgelgehäuses steht. In Ausnahmefällen werden diese Trompetenregister aus bestimmten Gründen aber auch außerhalb des Gehäuses angebracht: Die horizontale Bauweise dieser dann so genannten Spanischen Trompeten bewirkt einen sehr starken Klang, der, vom Klang der anderen Register im Orgelgehäuse abgesetzt, gewissermaßen als Solostimme gerichtet direkt in den Raum abgegeben wird. Nur sehr große Instrumente verfügen in der Regel über solche Horizontaltrompeten als luxuriöse Zusatzregister, wenn in der Orgel genügend „normale“ großbecherige Zungenstimmen vorhanden sind. Das ist jedoch leider bei unserer Ott-Orgel nicht der Fall, da diese Register im Inneren gänzlich fehlen. Darüber hinaus sollten die Becher der Horizontaltrompeten aus klanglichen Gründen eigentlich etwa die doppelte Länge haben, unsere sind somit zu kurz. So gesehen sind die Spanischen Trompeten unserer Orgel eher eine Freude fürs Auge als für das Ohr und kommen aufgrund der vorhandenen Mängel nur noch selten zum Einsatz.

Der Winddruck
Im Zuge der Renovierung durch die Orgelbaufirma Führer (1993) wurden weitere Veränderungen vorgenommen. Die Winddrucke der Orgel wurden stark erhöht. Das hatte Schwierigkeiten bei der Intonation zur Folge, woraufhin Veränderungen am Pfeifenmaterial vorgenommen wurden. Die Erhöhung des Winddruckes erschwerte darüber hinaus das Spielen der Orgel, da sich mit dem höheren Winddruck auch der Kraftaufwand zur Betätigung der Tasten erhöht. Dem versuchte man durch Ausbau einiger Kämme der Spieltraktur entgegenzuwirken. Leider wurden dadurch die Trakturgeräusche stärker.

Bauliche Mängel
Neben den klanglichen Problemen in Teilen des Pfeifenwerkes (hier besonders der Zungen im Inneren der Orgel und der von außen sichtbaren Horizontaltrompeten) sind auch das Gehäuse aus Sperrholz, die zweigeteilte Gehäusekonstruktion als Stahlgerüst, die sehr beengten Platzverhältnisse in der Orgel und der generell ungünstige Standort in den Ecken der Turmwand zu bemängeln. Nun wurde auch noch eine generelle Verunreinigung durch Haus- und Baustaub festgestellt, z.B. innerhalb des Windsystems. Laute Windgeräusche legen die Vermutung nahe, dass es auch Undichtigkeiten im Windsystem gibt. Das Balgleder ist teilweise beschädigt und könnte im Laufe der Zeit undicht werden.

Option Reparatur
Eine Generalreinigung des gesamten Instrumentes mit Neuintonation wäre zum jetzigen Zeitpunkt ohnehin fällig. Aus rein technischer Sicht könnte man theoretisch mit der Generalreinigung eine Überholung des gegenwärtigen Instrumentes verbinden. Dennoch würden die klanglichen und konzeptionellen Mängel bleiben. Allein die Beseitigung der technischen Mängel würde Kosten verursachen, die in keinem verantwortbaren Verhältnis zum Ergebnis stünden. Auch Umbau und Erweiterung des Instrumentes würden bei hohem finanziellen Aufwand nur wenige Verbesserungen bringen. Die Orgel bliebe auch nach der Reparatur immer noch ein in seiner ursprünglichen Konzeption „gefangenes“ Instrument. In der Vergangenheit mussten immer wieder „kleinere“ Reparaturen durchgeführt werden, die für den Moment zwar Abhilfe schafften, das Grundproblem aber nicht beheben konnten. Auf diese Weise wurde regelmäßig Geld in diese Orgel investiert, das besser für ein gut durchdachtes Gesamtkonzept angelegt worden wäre.